Kanalgitter als Stolperfalle – vertragliche und deliktische Haftung

Kanalgitter, die sich vor Zugangsflächen zu Geschäften befinden, müssen gemäß den Richtlinien und Vorschriften für das Straßenwesen (RVS) niveaugleich mit der Straßenoberfläche verlegt werden. Führt eine Niveaudifferenz von 17 Millimetern zum Sturz von Passanten, kann der Geschäftsinhaber, dem die Zugangsfläche zuzurechnen ist, haftbar gemacht werden.

 

SACHVERHALT

Als die Klägerin zu ihrem Auto gehen wollte, kam sie vor dem Eingangsbereich der Filiale der Beklagten zu Sturz. Dabei zog sie sich einen Bänderriss im Knöchel zu. Der Grund für ihren Sturz war ein unsachgemäß verlegter Kanaldeckel. Dieser befand sich 17 Millimeter unter dem Niveau der Zugangsfläche.

Die Beklagten hätten nach Ansicht der Klägerin ihre Schutz- und Sorgfaltspflichten gröblich vernachlässigt. Sie machte Schadenersatz sowie die Feststellung geltend, dass die Beklagten für sämtliche zukünftigen, derzeit noch nicht bekannten Schäden aus dem Vorfall zu haften hätten.

Die Beklagten beantragten die Abweisung der Klage, da der Kanaldeckel keine Gefahrenquelle darstelle. Niveaudifferenzen von 17 Millimetern kämen auf Straßen, Gehwegen und Parkplätzen regelmäßig vor. Es wäre überschießend, würde man von ihnen die Beseitigung einer jeglichen solcher artigen Unebenheit verlangen. Zudem treffe die Klägerin ein Mitverschulden, da sie zu unachtsam unterwegs gewesen sei.

 

RECHTLICHE BEURTEILUNG

Das Erstgericht gab dem Begehren der Klägerin statt. Nach den RVS dürften Kanalgitter eine Niveaudifferenz zur restlichen Verkehrsfläche von maximal 5 Millimetern aufweisen. Im gegenständlichen Sachverhalt habe die Niveaudifferenz jedoch zwischen 12 und 17 Millimetern betragen, was mehr als dem dreifachen Maximalwert entspräche. Diese Gefahrenquelle sei dem Geschäftsinhaber anzulasten, zu dessen Geschäftslokal die neu gestaltete und ansonsten ebene Zugangsfläche gehöre. Der Geschäftsinhaber habe in diesem Fall gegen seine „(vor-)vertraglichen Verkehrssicherungspflichten“ verstoßen und könne deshalb für Personenschäden haftbar gemacht werden, die aufgrund des nicht niveaugleich verlegten Kanalgitters zu Sturz gekommen seien.

Diese Ansicht wurde auch vom Landesgericht als Berufungsgericht geteilt. Gerade auf neu errichteten und grundsätzlich ebenen Flächen habe man nicht mit einem Niveauunterschied von bis zu 17 Millimetern zu rechnen.

Die sogenannte „Wegehalterhaftung“ nach § 1319a Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) sei auf den gegenständlichen Fall nicht anwendbar, da es hierfür eines groben Verschuldens seitens der Beklagten bedürfte. Hatte es in der Vergangenheit nicht bereits ähnliche Unfälle wegen dieses Kanalgitters gegeben, würden bloße Niveauunterschiede im Millimeterbereich kein grobes Verschulden darstellen.

Dass die Beklagten für einen nicht ordnungsgemäß verlegten Kanaldeckel haften würden, bedeute jedoch nicht, dass ein Fußgänger „blind“ darauf vertrauen dürfe, dass sich keine Unebenheiten auf dem Weg befänden. Einem Fußgänger, der aufgrund eines zu tiefen Kanaldeckels gestolpert und zu Schaden gekommen sei, könne somit durchaus vorgeworfen werden, dass er beim Gehen „nicht vor die Füße geschaut“ habe. Der Klägerin war somit eine Teilschuld anzulasten.

Am gegenständlichen Verfahren war auch der damals für den Kanaldeckel zuständige Bauleiter als „Nebenintervenient“ der Beklagten beteiligt. Da das Berufungsgericht von einer Teilschuld zwischen Klägerin und Beklagten ausging und somit die Beklagtenseite zu einem gewissen Teil obsiegt hatte, wurde auch dem Bauleiter Anspruch auf anteiligen Ersatz seiner Prozesskosten zugesprochen. Ihm gebühre jeweils im selben Verhältnis wie der beklagten Hauptpartei Kostenersatz.

 

LG Wr. Neustadt 31.03.2005, 18 R 171/14x