Kindesunterhalt: Verteilung der Unterhaltslast bei gemeinsamer Betreuung

Geht die Mitbetreuung des gemeinsamen Kindes durch den geldunterhaltspflichtigen Elternteil über das übliche Kontaktrecht von 80 Tagen pro Jahr hinaus, kann sich dadurch seine Geldunterhaltspflicht (Kindesunterhalt) gegenüber dem anderen Elternteil verringern.

 

SACHVERHALT

Die Ehe der Eltern des 14-jährigen gemeinsamen Kindes wurde geschieden. Die Obsorge kam beiden Elternteilen zu, wobei das Kind im Haushalt der Mutter lebte. Der Vater erbrachte umfassende Leistungen an das Kind. So übernahm er etwa die Kosten für schul- und sportbezogene Angelegenheiten, Sprach- und Musikkurse, Sommercamps, mehrwöchige Urlaube und die Kosten für medizinische Belange.

Die Mutter begehrte für das Kind die rückwirkende Festsetzung eines monatlichen Geldunterhaltes in Höhe von EUR 1.000.

Der Vater wendete ein, dass das Kind durchschnittlich 140 bis 160 Tage im Jahr bei ihm verbringen würde. Zudem sei er durch seine umfangreichen Leistungen für das Kind seiner Unterhaltspflicht bereits ausreichend nachgekommen.

 

RECHTLICHE BEURTEILUNG DES OGH

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (OGH) habe es keine Auswirkungen auf die Unterhaltspflicht, wenn der geldunterhaltspflichtige Elternteil das Kind im Rahmen des üblichen Kontaktrechts betreue. Dieses übliche Kontaktrecht bestehe in einer Mitbetreuung im Ausmaß von zwei Tagen alle zwei Wochen und von vier Wochen in den Ferien. Daraus würde sich ein Kontaktrecht von etwa 80 Tagen pro Jahr ergeben.

Geht die Betreuung des geldunterhaltspflichtigen Elternteils jedoch über dieses übliche Kontaktrecht hinaus, reduziert sich dessen Geldunterhaltspflicht um den Betrag, den sich der andere Elternteil durch dessen Betreuung erspart hat. Dabei dürften die vom geldunterhaltspflichtigen Elternteil erbrachten zusätzlichen Leistungen jedoch nicht vom Geldunterhalt des anderen Elternteils abgezogen werden. Andernfalls würde der Unterhaltsanspruch des anderen Elternteils zweimal gekürzt werden, einmal durch die Betreuung und weiteres Mal durch die erbrachten Zusatzleistungen.

Nach Ansicht des OGH entfalle die Geldunterhaltspflicht eines Elternteils jedoch vollständig, wenn zum einen beide Elternteile gleichwertige, den Bedarf des Kindes deckende Leistungen erbringen und zum anderen über so hohe Einkünfte verfügen, dass die Luxusgrenze für Unterhaltsleistungen erreicht sei. Nur wenn diese Voraussetzungen nicht erfüllt seien, würde dem Kind ein Restgeldanspruch gegen den leistungsfähigeren bzw. weniger betreuenden Elternteil zustehen.

 

OGH 28.04.2015, 10 Ob 17/15w